Rund um das Muldental

Davon unbeeindruckt ging das Rennen weiter. Es versuchten immer mal wieder sich ein paar kleinere Gruppen abzusetzten. Aber spätestens an den Kohlenstraße hatten wir sie alle, was eine trügerische Sicherheit gegenüber Ausreißern währte. Das Spitzenfeld war auf gut 40 Mann geschrumpft. Und nur das Team Jenatec machte nach wie vor Tempo und fuhr mit 3 Mann an der Spitze jedes Mal volle Kanne in den Berg rein. Die relative Intensität nahm aber irgendwie ab, jedenfalls kam ich von Runde zu Runde besser drüber, während die anderen doch ganz schön zu kämpfen hatten. Als der vermaledeite Anstieg ein letztes Mal zu bewältigen war, fuhren wir genau an dessen Fuße in eine abgehangene Juniorengruppe auf. Ich erinnerte mich an die Worte meines Trainer, in solchen Situationen immer möglichst weit vorn zu fahren, um dem Wirrwarr zu entgehen. Klappte auch ganz gut und ich kam mit den ersten 8 über den Berg. Wir waren wohl alle etwas überrascht, aber auf einmal hatten wir etwa 100 Meter Vorsprung vor dem Rest - und es waren nur noch 4km. Aber die Gruppe lief nicht richtig, aus irgendeinem Grund wollten die meisten nicht richtig fahren. Da half auch kein anfeuern, sondern nur ein - Attacke! Wir hatten leichten Gegenwind von links und fuhren auch auf dieser Straßenseite. Mein Vordermann fuhr aus dem Windschatten heraus, um wieder in die Führung zu gehen. Ich folgte ihm, hatte gut Schwung drauf und zog unmittelbar auf die rechte Straßenseite. Eigentlich wollte ich nur das Tempo etwas erhöhen, aber plötzlich war da eine 20m Lücke. Zu diesem Zeitpunkt wäre es ein leichtes gewesen, die Lücke zu schließen, aber es tat keiner. Es waren da noch etwa 2km zu fahren. Noch ein kleines Stück gerade aus, dann rechts auf die Muldenbrücke, raus aus dem Blick der Verfolger. Großer Gang drauf und 50 Sachen über die Mulde gedrückt, dann wieder rechts, jetzt nur nicht stürzen, ein kurzes Flachstück und dann den Berg rauf. Jetzt kam die Gruppe wieder ins Sicht, offensichtlich wieder zusammen geschlossen. Nur nicht umdrehen Steve, einfach weiter fahren. Noch 1000 Meter. Verdammt ist das lang. War der Berg schon immer so steil? Ich merkte, dass ich übersäuerte, scheißegal, weiter drücken, 30 km/h sind bergauf schon ganz gut, die vorherigen Passagen waren deutlich langsamer. Dann endlich noch 300 Meter. Wieder ein Blick zurück, aber die Straße war so gewunden, da war nix zu sehen. Ich zog an einem überrundeten Fahrer vorbei und bog auf die letzten 200m zum Ziel ein. Mein Trainer gestikulierte und schrie wie verrückte, aber ich bekam von ihm genauso wenig mit, wie von der jubelnden Zuschauermenge. Tunnelblick eben. Nochmal aus dem Sattel gegangen, nochmal runter schalten und da ist sie, die Ziellinie. "Die Nummer Siebzig gewinnt!", waren die Worte die Streckensprechers. Und dann hatte ich es erst richtig realisiert: ich hatte mein allererstes Radrennen gewonnen. Und das war nicht nur ein Eierkuchenrennen rund um den Marktplatz mit 3 Startern, sondern ein großer sächsischer Klassiker. Einfach nur Hammergeil! Meinem Trainer Steffen Haslinger, dem ich so viel verdanke und dem ich diesem Sieg von ganzem Herzen widme, fiel ich als erstes um den Hals. Vor Gratulationen konnte ich mich dann kaum retten. Aber ich genoss es, denn das hatte ich mir verdient. Nur an meiner Schlagfertigkeit im Siegerinterview muss ich noch etwas arbeiten. Ein Pokal, ein Straß Blumen (über den sich meine Muddi am meisten freut) und 60 Euro Prämie waren eine angemessene Belohnung für die Strapazen. Jetzt bin ich nämlich B-Fahrer. Jetzt ist es vorbei mit den "leichten" Rennen. Ab jetzt wird richtig Rad gefahren ;o)
1 Comments:
At 9:48 AM,
Oliver said…
Glückwunsch!
Ich weiß zwar nicht, was ein B-Fahrer ist, aber so ein erster Platz ist ja nie zu verachten. Und wenn Du dann erst einmal mehrere Rennen gewonnen hast, wird das schon mit den Interviews.
Puls bei 192 ... wirst Du bei 200 zum Hulk? ;-)
Viele Grüße
Oli
P.S.: Fährst Du das Rennen eigentlich mit Maßband und Diktiergerät oder woher weißt Du nachher noch all die Details?
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